Nicht in Schubladen denken

Interview mit Bürgermeister Frank Groos und Heike Lachnit

Brechen soll grüner werden. Mit mehr Grün kann eine Kommune der Erwärmung begegnen. Doch Bürgermeister Frank Groos macht im Interview auch klar, dass nicht die Kommune allein für den Klimaschutz zuständig ist, sondern dass jeder etwas dazu beitragen kann. Und er appelliert daran, nicht immer nur in Schubladen zu denken.

In Brechen macht man sich Gedanken um den Klimawandel und wie die Kommune darauf reagieren kann. Es ist mit die erste Kommune, die mit der Lupe auf ihre Ortsteile blickte, um zu schauen, ob Hitze ein Thema in der Gemeinde im Goldenen Grund sei. Dazu kam Verena Nijssen, Klimaschutzmanagerin des Landkreises nach Brechen, um über das Thema zu sprechen.

Mehr Grün im Ort

Zwar seien die Hitzeauswirkungen in dem Dorf nicht so stark wie in einer Stadt. Doch lassen sich klar Zonen eingrenzen, die durch die Hitze stärker betroffen sind und welche nicht. Der Ortskern ist am wärmsten, während es beim Friedhof deutlich kühler ist. „Man merkt sofort, wo die Flächen stärker versiegelt sind“, so Groos. Dies betrifft nicht nur den Friedhof, sondern zeigt sich auch an der Wohnbebauung am Rand der Gemeinde. Da gibt es größere Grundstücke und mehr Grün als im Ortskern. Und so war die Empfehlung von Nijssen an die Gemeinde auch ganz klar: „Mehr Grün in den Ort rein und Flächen entsiegeln.“ Und dafür hat Groos auch eine Idee im Kopf und muss jetzt schauen, wie sich diese realisieren lässt. In den Nachrichten hörte er von der Initiative aus Saarlouis „Hausbäume für Saarlouis“. Jeder Hausbesitzer erhält umsonst einen Baum in seinen Garten, wenn er die anfallende Pflege übernimmt. Das Projekt werde zu 90 Prozent vom Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat gefördert. Um über diesen Topf eine Förderung zu erhalten, sei die Summe zu hoch, welche Brechen investieren müsste. Jetzt habe er über den Zukunftsfonds im Landkreis eine Anfrage gestellt für die Förderung des Projektes „100 Bäume für Brechen“. Mit diesem Gedanken ist er nicht allein. In Elz wie auch in Weilburg machen sich die Kommunalpolitiker Gedanken, wie sie mehr Grün in der Kommune realisieren können. In Elz bekommt zukünftig jedes Neugeborene einen Baum geschenkt, in Weilburg ist diese Idee noch in der politischen Diskussion.

Maßnahmen in Brechen

Während die Idee für mehr Grün in Brechen noch am laufen ist, gibt es bereits schon Maßnahmen, welche realisiert wurden. Die gemeindeeigenen Dächer sind mit PV-Anlagen ausgestattet und wo nötig, wurden Heizungsanlagen modernisiert. Die Straßenbeleuchtung ist auf LED umgestellt und der Wald befindet sich in der Aufforstung.
Doch Groos bekommt oftmals bei den Bürgern auch die Haltung mit, dass diese das Klima allein sowieso nicht retten können. „Ich werbe immer wieder dafür, dass jeder mit Kleinigkeiten etwas am gesamten Beitrag leisten kann.“ Um die Bürger zu animieren, hängen in der Gemeinde alte Kaugummiautomaten. Sie schenken keine kleine Süßigkeit mehr, wenn man an ihm zieht, sondern man erhält einen Kugel Blühsamen, die man im eigenen Garten verteilen kann und somit einen Beitrag zur Artenvielfalt leistet.
Viele Dinge hat die Gemeinde im Blick. So nutzten die Gemeindevertreter die Sommerpause dazu, um sich einen Blick über die Wasserversorgung zu schaffen. Bisher läuft alles gut, aber die Gemeinde muss in die Wasserversorgung investieren. Der erste Hochbehälter wurde jetzt aufwendig im laufenden Betrieb saniert. Brechen kämpft mit einem historisch gewachsenen Leitungsnetz und veralteten Strukturen. Aktuell ist sie am prüfen, ob die trocken gefallene Schürfung „Stoffel“ saniert werden kann. Investitionen, Kostenstrukturen, Erneuerungen von Technik sind alles Themen, welche die Gemeindevertreter in den nächsten Jahren beschäftigen werden. Auch wenn es noch keine Probleme mit der Wasserversorgung gibt, appellieren sie dennoch an die Bevölkerung, verantwortungsvoll mit dem Thema umzugehen. Die privaten Pools nehmen zu, was sie am Wasser merken. Ein Thema, welches sie im Blick behalten müssen.  

Vorbereitung auf Starkregenereignisse

Auswirkungen von Starkregenereignissen hat die Kommune ebenfalls im Blick. Ein kritischer Punkt ist der Laubusbach in Oberbrechen. Das Überschwemmungsgebiet liegt mitten im Ortsteil. „Bisher sind wir mit einem blauen Auge davon gekommen“, so Groos, „aber mit der Katastrophe im Ahrtal hat das Thema nochmal Fahrt aufgenommen“. Der Laubusbach befindet sich im hessischen Renaturierungsprogramms „100 wilde Bäche“. Die Gemeinde muss sich fragen, wie sie verhindern kann, dass zu viel Wasser in die Ortslage gelangt. Mit dem Thema Starkregen rückt auch die Energieversorgung in den Blick. Aktuell ist die Gemeinde dran, die Feuerwehrgerätehäuser mit Notstromversorgung auszustatten. Dies findet in Abstimmung mit dem Landkreis statt. Im Haushalt 2023 soll Geld für drei Notstromaggregate eingestellt werden und auch bauliche Veränderungen sind nächstes Jahr geplant.
Es sind viele Baustellen, die in Brechen zusammenkommen. Groos zeigt auf, dass der Aspekt Klimaschutz inzwischen viel stärker mitgedacht wird, wie bei der Erstellung neuer Bauleitplanungen. Aktuell müssen Hausbauer eine Garagenseite begrünen und dürfen nur heimische Gehölze anpflanzen. Die Versiegelung sollte so gering wie möglich sein. Zukünftig könnte Groos sich vorstellen, dass auch die Beheizung vorgeschrieben wird oder eine Dachbegrünung. Er zeigt ganz klar, dass er Klimakommune nicht nur auf dem Papier sein möchte, sondern diesen Titel durchaus ernst nimmt und etwas bewegen möchte. Dafür soll das Bauamt durch eine Stelle mit Klimaschutzaspekten verstärkt werden. Eine Hochwasserschutzkonzept wurde angestoßen und befindet sich in der Vergabe. Eine CO2-Bilanz wird gerade für 15.000 Euro von der Transferstelle Bingen erarbeitet. Aus den Maßnahmenvorschlägen soll ein Aktionsplan entstehen. Es habe sich einiges in Brechen getan, so Groos, aber die ganzen Maßnahmen kosten auch einiges an Ressourcen.

Immer wieder klingt im Interview auch an, dass Frank Groos sich gegen ein Schubladendenken wehrt. Er appelliert an eine „Alltagsvernunft“, an eine ausgewogene Sicht auf die verschiedenen Themen. „Ich bin kein Klimasünder, weil ich Straßen baue und kein Ökoaktivist, weil ich Bäume pflanze“, so Groos. Die Gemeinde muss die Möglichkeit haben, sich weiter zu entwickeln. Dafür müssen eventuell auch neue Gewerbe- und Wohngebiete mit dazugehörigen Straßen erschlossen werden. Doch umsichtig kann man beide Interessen miteinander kombinieren. Es sei nicht immer einfach, die verschiedenen Interessen unter einen Hut zu bringen, doch wenn alle mit anpacken, findet sich ein Weg.

Textquelle: Heike Lachnit