Altes Rathaus

Der Rundgang beginnt am alten Rathaus, das im Jahre 1700 auf den Fundamenten eines Zehnthauses errichtet wurde und wohl ursprünglich eine offene Markthalle zur heutigen Rathausstraße hin hatte. Hier wurde der Wochenmarkt mit Fleisch, Wecken und Leinen aus den Webereien abgehalten. Spätestens ab 1791 wurde das Gebäude als Zehnthaus genutzt. Der Zehnte war der zehnte Teil der Erträge (z.B. Getreide, Wein, Gemüse), den die Siedler als Pacht an die jeweiligen Pfandherren (z.B. Landgrafen) abführen mussten. Er wurde durch ein nicht mehr vorhandenes Zwerchhaus an der südlichen Seite des Gebäudes auf den Doppelspeicher gezogen. 1722 erfolgte der Anbau eines Backhauses und danach wurde noch ein kleiner Bau (Schuppen) zur Lagerung von Backwellen und Brennmaterial ergänzt. Dieser Anbau ist durch die einfache Art des Fachwerks leicht zu erkennen. Ab dem 18. Jahrhundert wurde das Gebäude zeitweise auch als Schule genutzt. Die östliche Giebelwand wurde als Putzbau konzipiert. Damit wollte man zur Zeit des Barock einen gewissen Reichtum vortäuschen, da Fachwerk eher ein Zeichen für Armut war. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die offene Laube geschlossen und das Fachwerk aus Brandschutzgründen verputzt. Am nordwestlichen Giebel wurde ein Schlauchturm zum Trocknen der Feuerwehrschläuche angebaut. Die obere Hälfte dieser Seite wurde verschiefert. Ab Beginn des 19. Jahrhunderts diente das Gebäude den Schultheißen (heute Bürgermeister) der Gemeinde als Amtssitz. 1895 wurde das Dach neu gedeckt. Bei der Restaurierung 1912 wurde unter fachkundiger Aufsicht das Fachwerk wieder freigelegt und der Schlauchturm abgerissen. Im Erdgeschoss befanden sich drei Räume, die von einer Familie bewohnt wurden. Zwei kleine Räume dienten als Obdachlosenasyl und ein Raum wurde vom Altertumsverein genutzt. 1965 wurde das Rathaus erneut für eine moderne Nutzung umgebaut. Im Erdgeschoss entstand ein großer Sitzungssaal mit Eichensäule. Die bunten Fenster im Nordteil wurden von der Glasfachschule Hadamar gestaltet. Zur Wiederherstellung der historischen Außenfassade hat man den Schiefer an der Giebelspitze entfernt.

1977 zog die Gemeindeverwaltung in das ehemalige Schwesternhaus in der Marktstraße um. Heute befinden sich im Erdgeschoss ein Sitzungssaal der Gemeinde Brechen und im Obergeschoss das Gemeindearchiv. Bei den Sanierungsarbeiten im Jahr 2001 wurde der große Saal im Obergeschoss aufgrund historischer Befunde rekonstruiert. Auch die fränkischen Erker und die ursprüngliche Farbfassung hat man wiederhergestellt. Im Dachgeschoss wurden wieder Schlagläden eingebaut und eine barocke Tür, die bei den Renovierungsarbeiten gefunden wurde, ziert den Eingang zum Sitzungssaal. Für die vorbildliche Sanierung des alten Rathauses hat die Gemeinde Brechen 2003 den Hessischen Denkmalschutzpreis erhalten.

Vor dem Gebäude befindet sich der Schuster-Matthese-Stock, dessen Name auf einen Schuster zurückzuführen ist, der in Niederbrechen Landwirtschaft betrieb und bei einem Gewitter von seinem Kuhwagen stürzte. Seine Kinder ließen zu seinem Gedenken den Bildstock etwa 1750 errichten, der nun beim alten Rathaus seinen endgültigen Standort gefunden hat.