Interview mit Christel Höhler-Heun: Andere Gesprächskultur

Nassauische Neue Presse vom 04.02.2017 von Sarah Bernhard

In einer Serie befragt NNP-Redakteurin Sarah Bernhard heimische Kommunalpolitikerinnen zu ihren Erfahrungen in einer männerdominierten Branche. Heute spricht sie mit Christel Höhler-Heun über die abschreckende Wirkung der Kindergartengebührensatzung, unterschiedliche Gesprächskulturen bei Männern und Frauen und die Erweiterung des eigenen Horizonts.

Frau Höhler-Heun, haben es Frauen in Brechen schwerer als Männer ?

CHRISTEL HÖHLER-HEUN: Ich glaube, dass das Wort von weiblichen Gremienmitgliedern genauso viel wiegt wie von männlichen. Ich glaube aber auch, dass es für Frauen schwieriger ist, überhaupt ins Gremium zu kommen.

Warum?

HÖHLER-HEUN: Das liegt an der Lebenssituation. Wenn sich Frauen mit Familie oder jüngere Frauen engagieren wollen, sind andere Dinge naheliegender, zum Beispiel Elternbeirat, Sportverein, Musikverein. Und für Frauen, die etwas älter sind, liegt vielleicht die Vorstellung nicht so nahe, dass man sich in der Kommunalpolitik engagiert.

Wieso das?

HÖHLER-HEUN: Wenn wir Frauen ansprechen, bekommen wir oft zur Antwort: Diese Streiterei wollen wir nicht. Auch die Sitzungsarbeit ist vielen nicht so vertraut. Der Haushaltsplan zum Beispiel ist ein dicker Wälzer, da muss man sich einarbeiten, genauso wie in die Kindergartengebührensatzung. Andererseits kann man im eigenen Ort ganz schön was gestalten.

Wird denn in Brechen tatsächlich viel gestritten?

HÖHLER-HEUN: Natürlich gibt es immer einzelne kontroverse Projekte, aber insgesamt arbeitet unsere Gemeindevertretung sehr kooperativ zusammen. Natürlich gibt es aber auch Parlamente, die sich immer zoffen.

Weil die Gesprächskultur männlich geprägt ist?

HÖHLER-HEUN: Ja, es stimmt, dass Frauen eine andere Gesprächskultur haben als Männer. Sie gehen anders an Konflikte ran, suchen weniger die Konfrontation.

Sieben Frauen im Parlament

Sie haben in Brechen sieben Frauen im Parlament. Hat sich dadurch im Vergleich zu früher etwas geändert?

HÖHLER-HEUN: Ja. Frauen haben nicht nur eine andere Gesprächskultur, sondern auch einen anderen Blickwinkel. Sie kennen sich zum Beispiel mit der Situation in den Kitas aus und wissen, was im Sportverein läuft. Obwohl, das wissen natürlich viele Männer auch.

Trotzdem eher die klassischen Frauenthemen.

HÖHLER-HEUN: Na ja, wir haben im Gemeindeparlament eine Hauswirtschafterin, eine Erzieherin, eine Architektin, eine Betriebswirtschaftlerin, eine Steuerfachfrau, Lehrerinnen, und eine ist am Gericht. Wir haben also schon verschiedene Felder abgedeckt.

Ideen umgesetzt

Warum sind Sie in die Politik gegangen?

HÖHLER-HEUN: Gute Frage. Das lag zum einen an meinem familiären Hintergrund. Schon mein Vater und mein Großvater waren in der Kommunalpolitik. Und ich möchte gerne in meinem Umfeld meine Ideen einbringen. Das ein oder andere wurde auch schon aufgegriffen und realisiert.

Zum Beispiel?

HÖHLER-HEUN: Das Bürgerhaus in Niederbrechen, zwei Sportplätze. Außerdem: Die Gemeinde hat die kirchlichen Kindergärten übernommen und bezahlt eine Jugendpflegerin.

Haben Sie Tipps für andere Frauen, die sich engagieren wollen?

HÖHLER-HEUN: Sie sollen sich mutig einmischen. Man kann da ja nichts falsch machen. Und sie sollten offen mit den Themen umgehen. Mit dem Thema Windkraft zum Beispiel hätte ich mich nie so intensiv auseinandergesetzt. Das erweitert auch den eigenen Horizont.

Und was müsste sich generell ändern, damit mehr Frauen politisch aktiv werden?

HÖHLER-HEUN: Ich denke, es wird sich nichts ändern, nur weil die Sitzungen zum Beispiel mittags um fünf anfangen oder nicht mehr so formal sind, denn das Hauptproblem bleibt die zeitliche Belastung. Trotzdem vertraue ich darauf, dass, je mehr Frauen mitmachen desto mehr andere sich angesprochen fühlen, ebenfalls mitzumachen.

Info: Seit 14 Jahren im Parlament
Christel Höhler-Heun ist 50 Jahre alt und arbeitet als Anwältin in Limburg. Seit 14 Jahren sitzt sie für die CDU im Brechener Gemeindeparlament, seit 2011 ist sie Vorsitzende der Gemeindevertretung. Wo andere pro Gemeindeparlamentssitzung zwei Termine haben, hat sie deshalb sechs: einen, um die Tagesordnung festzusetzen, eine Fraktionssitzung, drei Ausschusssitzungen sowie die Sitzung selbst. „Dafür ist man danach wirklich im Thema drin“, sagt sie.