Die Gunst der Stunde genutzt

Für den freiwilligen Zusammenschluss mit Niederbrechen, der vor 50 Jahren seinen Anfang nahm, floss viel Fördergeld nach Werschau. Das letzte große Projekt des Grenzänderungsvertrags wurde aber erst 2004 fertig.

Nassauische Neue Presse vom 03.01.2019 von Ursula Königstein

Die frühere selbständige Gemeinde Werschau hat vor gut einem halben Jahrhundert die Chancen, die sich im Zuge der Gebietsreform bei dem freiwilligen Zusammenschluss mit dem Nachbarort Niederbrechen boten, gut genutzt. Gerhard Beck, vor genau 50 Jahren, in der zweiten Sitzung der neu gewählten Gemeindevertretung am 13. Dezember 1968 zum Bürgermeister von Werschau gewählt, ergriff damals die Initiative und nahm mit dem damaligen Niederbrechener Bürgermeister Heinrich Runte Gespräche auf und arbeitete mit ihm einen Grenzänderungsvertrag aus, der die Einzelheiten des Zusammenschlusses und weitere Vorhaben für die beiden Ortschaften regelte.

Erhebliche Zuschüsse

Durch dieses freiwilligen Zusammenschluss vor Inkrafttreten der Reform sicherte sich die neue Großgemeinde erhebliche finanzielle Zuschüsse des Landes Hessen, mit denen zahlreiche wichtige Projekte verwirklicht werden konnten (siehe Text unten).

Dabei hatte die letzte Werschauer Gemeindevertretung durchaus keinen einfachen Start. Erstmals waren zwei Listen angetreten, wobei die neue Bürgerliche Wählergruppe mit Gerhard Jung, Josef Jung, Robert Edel, Gerhard Beck, Josef Jeck und Manfred Ricker auf Anhieb sechs Sitze errang, während die Freie Christliche Wählergemeinschaft mit Josef Reh, Bruno Kramkowski und Wolfgang Düllgen drei Vertreter entsandte. Nachdem in der konstituierenden Sitzung im Oktober die Wahl wegen Formfehlern gescheitert war, wurde Gerhard Beck, seit 6. April 1964 Schulleiter in Werschau, mit der Mehrheit von sechs Stimmen zum neuen Bürgermeister gewählt. Für den bisherigen Amtsinhaber Rudolf Göbel , der nicht an der Sitzung teilnahm, hatten nur drei Gemeindevertreter gestimmt.

Zum Ersten Beigeordneten und stellvertretenden Bürgermeister wurde der Schreinermeister und Feuerwehrkommandant Philipp Saufaus, ebenfalls ein „Bürgerlicher“, gewählt. Zweiter Beigeordneter wurde Ortslandwirt Georg Hilfrich, während Walter Bach für Beck in die Gemeindevertretung nachrückte. Mit 32 Jahren war Beck einer der jüngsten Bürgermeister in Hessen. Seine Amtszeit dauerte genau drei Jahre und 19 Tage, bis zum Zusammenschluss mit Niederbrechen. Konnte sich der neue Bürgermeister anfangs auf seine Wählergruppe stützen, gaben die „Christlichen“ jedoch allmählich jegliche Opposition auf und trugen im Laufe der Zeit alle Beschlüsse mit.

Der neuen Gemeinde flossen nun reichlich Gelder aus Wiesbaden zu, mit denen, wie im Grenzänderungsvertrag vereinbart, in Werschau weitere Projekte verwirklicht werden konnten, so etwa die Courcy-Anlage am Ortseingang zur Würdigung der Freundschaft zu dem französischen Ort Courcy, die bis heute gepflegt wird, eine Schutzhütte im jungen Wald, der Bau des Feuerwehrgerätehauses und die Anschaffung eines Löschfahrzeugs.

Die Aktion Umweltschutz

Kurz vor Inkrafttreten des Gemeindezusammenschlusses gründete Bürgermeister Beck mit Forstamtmann Karl Schmidt und einigen Frauen und Männern aus Werschau im Dezember 1971 die „Aktion Umweltschutz“, die sich vor allem der Pflege des neuen Werschauer Waldes widmen sollte. Daraus entstand einige Jahre später der „Allgemeine Umweltschutzverband“, der auch überregionale Aufgaben übernahm und unter anderem weitere großflächige Aufforstungen wie an der „Mühlhohl“, im „Sollgraben“ oder auf dem früheren Dreschplatz und jährliche Säuberungen der Landschaft vornahm.

An großen Aktionen nahmen zuweilen bis zu 40 Mitglieder und weitere Helfer teil. 30 Jahre lang, bis 2001, stand Gerhard Beck dem Umweltschutzverband vor, der sich 2007 wegen Mangel an aktivem Nachwuchs auflöste. Zu diesem Zeitpunkt zählte er 325 Mitglieder aus Werschau, Niederbrechen, Oberbrechen, Hünfelden, Limburg, Bad Camberg, Kaltenholzhausen, Runkel, Wiesbaden, Frankfurt, Heidenroth und Limbach.

Mehr als 30 Jahre dauerte es allerdings, bis die letzte der großen Maßnahmen aus dem Grenzänderungsvertrag verwirklicht wurde: die zweite Ortsanbindung von Werschau an die Dauborner Straße mit einer neuen Brücke über den Wörsbach konnte erst im Jahre 2004 eingeweiht werden. uk