Josef Henecker erzählt von früher: Gastwirtschaft in der fünften Generation

Norbert Jung und Josef Henecker (von links) sind seit über 80 Jahren befreundet.

Fünf Lebensmittelgeschäfte, sieben Gastwirtschaften, drei Schneider, drei Metzger, mehrere Schuster, 45 landwirtschaftliche Betriebe – das alles in Oberbrechen. Daran erinnert sich Josef Henecker – unter anderem. Seine Eltern betrieben die Gastwirtschaft „Zum Heideberg“. Da half er mit, bis sie 1964 schloss. Im heutigen Beitrag geht es um den familiären Umgang und kleine Streiche.

Nassausiche Neue Presse vom 26.07.2018 von Petra Hackert

Oberbrechen. Früher wurde zu Hause geschlachtet. Zweimal im Jahr, weiß Josef Henecker. Bei ihm zu Hause war das so, denn die Eltern betrieben nicht nur die Gastwirtschaft, sondern auch Landwirtschaft. Noch einige Zeit, nachdem die Kneipe schloss, blieb der Bauernhof erhalten. Heute ist davon nichts mehr zu sehen. Nicht nur bei ihm. „Wir haben keine einzige Kuh, kein Schwein mehr in Oberbrechen“, erzählt der 90-Jährige. Einen Vollerwerbslandwirt ohne Tiere gibt es noch. Landwirtschaft wie früher hat sich erledigt. Und: „In einem Großbetrieb so wie heute, da würde ich kein Bauer sein wollen.“

Der Oberbrechener hatte gern im Gasthaus zu tun. Da gab es die Stammtische erinnert er sich. An einem saßen die Skatspieler, am anderen die Politiker – streng getrennt, denn beim Debattieren musste man sich voll konzentrieren. Beim Spiel natürlich auch. „Wir hatten die Wirtschaft in der fünften Generation als Familienunternehmen“, sagt er. Da war so einiges anders als heute. „Wir konnten uns doch gar nicht leisten, viel essen zu gehen“, sagt Norbert Jung. Der 82-Jährige ist seit der Kindheit mit Josef Henecker befreundet. Sie wohnten knapp 50 Meter auseinander, deshalb gibt dieser gern ein wenig Schützenhilfe, wenn’s ums Erzählen geht.

„An Kirmessamstag gab’s ein Viertel Fleischwurst in der Wirtschaft“, erzählt Norbert Jung vom Familienessen. „Da haben wir uns das ganze Jahr drauf gefreut.“ Ein Stammtisch mit vielen Speisen war etwas Besonderes und erforderte ganzen Einsatz. Das ging so: „Die Metzger waren froh, wenn sie zwölf, 13 Portionen auf einmal verkaufen konnten“, berichtet Josef Henecker. Also war es kein Problem, spät abends noch zu klingeln, wenn die Gäste hungrig waren. Dann wurde die „Flaaschwortscht“ auch schon einmal um 23.30/24 Uhr geholt. Ladenöffnungszeiten? Kein Thema! Der „Hatzemetzger“ (Josef Kremer) freute sich über Kundschaft. In späteren Zeiten ging es dann zu Josef Klier.

„Alles war viel familiärer“, erinnert er sich. Und: Teilweise richtig witzig. Zum Beispiel, als ein Gast am Samstagabend noch die Brötchen für den Sonntagmorgen geholt und um 20 Uhr in der Wirtschaft einen Stopp eingelegt hatte. „Haischere Adam“ (so der Dorfname) hatte die Reiweck dabei. Gäste machten sich einen Spaß und tauschten sie gegen eine Ackerleine aus. Das Gewicht stimmte, der Inhalt nicht. Als seine Frau am nächsten Morgen den Strick zum Frühstück vorfand, „da war Zores daheim“, sagt der ehemalige Gastwirt.

Kleine Streiche sind das eine, die Kappensitzungen das andere. Bevor es damit in die später gebaute Emstalhalle ging, war der große Saal „bei Stimberts“ („Zum Emstal) voll, und auch in der Gastwirtschaft „Zum Heideberg“ wurde dereinst Fastnacht gefeiert. Einer von Josef Heneckers liebsten Büttenrednern war sein Freund Norbert Jung. „Da kommen die Mainzer nicht mit“, sagt er noch heute. Kein Wunder: Nahm er doch ganz gezielt Dorfgeschehen aufs Korn. Auch der Zusammenschluss mit Werschau und Niederbrechen zur Gemeinde Brechen war ein Thema. Es tat den Oberbrechenern weh, und auch das fasste Norbert Jung in Verse, die er heute noch aufsagen kann:

„Oberbrechen Heimatdörfchen,

liegst so schön im Goldnen Grund,

doch was man aus Dir gemacht hat, jammert wirklich jeden Hund.

Mer hatte alles, war mer brauchte,

Wasser, Wald, die Emstalhall.

Doch als bei uns der Schornstein rauchte,

kam für uns der große Knall.

Da kam zu allem Überfluss

mit Niederbrechen der Zusammenschluss.

Da musste man von Geburts an bis zur Stund’ des Todes nach Niederbreche auf des ,Rothes‘“.

Das Rathaus in Niederbrechen ersetzte die Bürgermeisterei. So hießt das in Oberbrechen. „Wir haben vorher nie Rathaus gesagt“, meint Josef Henecker. Aber das ist eine andere Geschichte.