Am Wochenende ist Kirmes in Oberbrechen – ein wichtiges Ereignis für das Dorf. Wer weiß noch, dass die Kirmes früher gar nicht im Sommer, sondern zu Martini gefeiert wurde? Man erkennt es an alten Kirmesbildern, auf denen die Burschen und Mädchen dicke Jacken tragen. Josef Henecker erinnert sich gut daran. Unterstützt von Norbert Jung erzählt er wieder seine Geschichte. Die NNP blickt in mehreren Teilen zurück. Heute geht es ausschließlich um die Kirmes.
Nassauische Neue Presse vom 15.08.2018 von Petra Hackert
Oberbrechen. Josef Henecker war 1949 Kirmesbursche, direkt nach dem Krieg und direkt nach der Währungsreform. Reichsmark ade, willkommen D-Mark! 40 D-Mark gab es pro Kopf für jeden, erinnert er sich. Kein Wunder also, dass die Kirmesburschen 1949 keine großen Sprünge machen konnten gefeiert haben sie trotzdem.
Natürlich hat er ein Bild seiner Kirmesgesellschaft. „Alle tragen die Anzüge, die sie hatten“, sagt er. Den Sonntagsstaat, aber kein einheitliches Kirmes-Outfit. Bis auf den Hut – einen Hut mit Bändern und Blumen tragen alle, allerdings noch viel flacher als die heutigen „Pyramiden“. Ein Kirmeswappen auf dem Hemd, wie in anderen Gemeinden – das war in Oberbrechen auch später noch nicht angesagt, ergänzt Norbert Jung. Er war 1955 Kirmesbursche. Auch er trug noch den „flachen Hut“. Später hatte „die Kister-Getrud“ die Kirmeshüte bestück, die damalige Küsterin. Dann wuchs das Ganze schon so pyramidonal in die Höhe, wie man es heute kennt.
„Zum Umzug am Sonntag haben wir uns vor der Wirtschaft ,Zur deutschen Eiche‘ am Bahnhof getroffen“, erzählt Josef Henecker. Den Pfarrer und den Bürgermeister zu besuchen und dort zu tanzen – diese Tradition wurde erst viel später eingeführt. Dafür hatte jeder Jahrgang ein eigenes Kirmeslied. Zur Melodie von „Alte Kameraden“ hatte „Urbans Ludwig“ (so der Dorfname, so wurde Ludwig Schneider genannt) einen Text gereimt. „Die Flasche geht von Mund zu Mund, heute ist Kirmes im Goldenen Grund“, lautete eine Zeile.
Später, Ende der 40er-, Anfang der 50-er Jahre, wurde die Tradition des eigenen Kirmeslieds durch den „Johann“ ersetzt. „Wo ist denn der Johann? Ist der Johann net daheim? Ist er auf der Kirmes?...“, heißt es heute, und das war auch schon bei Norbert Jung so. „Ein Arbeitskollege von mir spielte in einer Band, und der sollte auch auf der Kirmes spielen. Ich hab ihm dann gesagt, ,Wenn Du den Johann nicht kennst, brauchst Du gar nicht erst anzufangen.‘“ Sein Jahrgang war also schon „johannisiert“.
Beide erinnern sich: Die erste Kirmes nach dem Krieg hielt der 1925er-Jahrgang. „Kramms Jupp hat das organisiert, und es gab ein Feuerwerk über der Friedrichsruh.“ Das mit dem Feuerwerk war gar nicht so einfach, denn das Geld fehlte. „Das Feuerwerk wurde getauscht“, erzählt Norbert Jung. Getauscht? Ja, Feuerwerk gegen Weizen, oder was man eben so hatte. Kein Bargeld. An den 1926er Jahrgang können beide sich nicht mehr recht erinnern, der 1927er feierte mit dem Lied „Veilchenblau“, meinen die beiden. „Solange in Oberbrechen das Veilchenblau noch blüht . . .“ Ein Jahrgang durfte übrigens keine Kirmes halten, weil in dem Jahr die Maul- und Klauenseuche grassierte. War das der 26er-Jahrgang? Sie wissen es nicht mehr genau.
Übrigens: Samstagabend war ganz früher an Kirmes nichts los. „Den großen Rummel gab es erst am Sonntagabend. Am Samstagabend gab es keine Musik, weil der Pfarrer Angst hatte, dass die Leute dann am Sonntagmorgen nicht in die Kirche gehen“, erzählt Josef Henecker. Und er berichtet auch vom Kehraus nach dem Montags-Frühschoppen: „Kehraus, Kerhaus, Ihr Lumpen geht jetzt all nach Haus . . .“ So endete die Kirmes, aber auch manch andere öffentliche Veranstaltung. Aber das ist eine andere Geschichte. . .