Preislisten zeigen: Das verdienen Politiker im Ehrenamt

Nassauische Neue Presse vom 15.02.2017 von Christof Hüls

Ehrenamt ist nicht gleich Ehrenamt. Wenn Kommunalparlamente tagen, gibt es zumindest ein Taschengeld für die Kommunalpolitiker: Zwischen acht Euro (in Brechen) und 25 Euro (in Limburg). Hinzu kommen Monatspauschalen für besondere Aufgaben sowie Ersatz des Verdienstausfalles und Fahrtkosten-Ersatz.

Limburg-Weilburg. Was Kommunalpolitiker für ihr Ehrenamt bekommen, entscheiden die Parlamente selbst – und dementsprechend unterschiedlich fallen die „Aufwandsentschädigungen“ aus. Der Landkreistag Limburg-Weilburg genehmigte sich erst im Dezember höhere Pauschalen: Für den dreieinhalbstündigen Sitzungstag gibt es nun 28 Euro (drei Euro mehr als bisher). Der Kreistag ist das einzige Parlament, das seinen Mitgliedern außerdem eine Monatspauschale gewährt: Auch die wurde um zehn Prozent angehoben auf 77 Euro. Das geschah mit großer Mehrheit. Nur die Mitglieder der AfD und der Linken stimmten dagegen oder enthielten sich.

Brechen sparsam

Besonders zurückhaltend und sparsam geben sich hingegen Brechen und Dornburg: Dort gibt es acht bzw. 8,50 Euro für den Abend in der Politikerrunde, die manchmal auch sehr lange beraten kann. Die SPD in Dornburg hatte zwar in den vergangenen Jahren mehrmals versucht, den Satz auf zehn Euro anzuheben – als „Zeichen der Wertschätzung gegenüber den Gemeindevertretern“, wie Fraktionschef Ottmar Baron meinte.

Die CDU bügelte das Ansinnen jedoch mehrheitlich ab. Fabian D’Antonio argumentierte: „Andere Bürger, die sich ehrenamtlich engagieren, bekommen auch keine Entschädigung.“

Die meisten Kommunen zahlen um zehn Euro pro Sitzung. Spitzenreiter ist mit deutlichem Abstand Limburg mit 25 Euro. Bad Camberg zahlt 18 Euro, Diez 20 Euro pro Sitzung.

„Entschädigung“

Die pauschale Entschädigung gibt es nicht nur für die Treffen der Gemeindevertretungen, Räte oder Stadtverordnetensitzungen, sondern zumeist auch für Fraktionsberatungen, Ausschüsse oder Ortsvertretungen.

Mehr springt für Funktionsträger heraus, die aber sicher deutlich mehr Zeit in die Vorbereitung einer Sitzung stecken müssen. Sie halten obendrein in der Öffentlichkeit den Kopf hin für die Beschlüsse ihrer Fraktion. Der Kreistagsvorsitzende und die Fraktionsvorsitzenden des Kreistages etwa bekommen monatliche Pauschalen von 278 Euro sowie 38 Euro pro Sitzung, ehrenamtliche Kreisausschuss-Mitglieder mit einem speziellen Aufgabengebiet erhalten monatlich 332 Euro. Auf Gemeindeebene hält sich der „Mehrpreis“ in Grenzen: Der Limburger Stadtverordnetenvorsteher bekommt zusätzlich 107 Euro, Ortsvorsteher 90 Euro.

Eine Besonderheit gilt noch für Mitglieder von Magistrat oder Gemeindevorstand. Denn diese Gruppe stellt gewöhnlich einen Stellvertreter, wenn der hauptamtliche Bürgermeister verhindert ist. Dafür überweist die Stadtkasse Limburg dann 25 Euro pro Tag – ein verschwindend geringes Entgelt für eine solche Verantwortung.

Ersatz für Verdienstausfall

Die Kommunen haben ihre Entschädigungssatzungen fast ausnahmslos im Internet veröffentlicht. Dort lassen sich „Preislisten“ nachlesen, auch für besondere Anlässe. Beispielsweise in Hünfelden: Für die Vertretung der Bürgermeisterin bei repräsentativen Terminen gibt es zwölf Euro extra, in „Rathausgeschäften“ 41 Euro pro Tag.

Zu dem Sitzungsgeld kommt Fahrtgeld: Die meisten Kommunen erstatten die Anfahrt zum Sitzungsort.

Einkommenseinbußen müssen die Hobby-Politiker übrigens nicht fürchten. Kreistagsabgeordnete und Kreisbeigeordnete beispielsweise, denen nachweisbar ein Verdienstausfall „entstehen kann“, bekommen 15 Euro je angefangene Stunde. Wer einen höheren Verdienstausfall nachweist, dem werden bis zu 45 Euro überwiesen.

Nicht steuerfrei

In der Politik zählt sogar die Tätigkeit als Hausfrau oder -mann, eine vermutlich fast einmalige Regelung der kommunalen „Entschädigungssatzungen“. Auch die ansonsten einkommenslose Hausfrau bekommt im Beispiel des Kreistags 15 Euro je angefangene Stunde – ohne Nachweis. Da dürfte kein Nebenjob im Bäckerladen mithalten können.

Was das Ganze den Kreis kostet, konnte Pressesprecher Jan Kieserg nicht beantworten. Der Kreis rechne auch weitere Ehrenamts-Tätigkeiten ab, beispielsweise für Mitarbeit in Beiräten. Kieserg: „Insofern ergibt sich hier kein seriöses Gesamtbild.“

Die Einnahmen aus dem politischen „Ehrenamt“ sind nicht generell steuerfrei. Vor vier Jahren reichte der Vorsitzende einer Gemeindevertretung Klage ein gegen die Besteuerung seiner Entschädigungszahlungen (zwischen 2792 und 2942 Euro für die Jahre 2007 bis 2009). Sein Finanzamt betrachtete Aufwandsentschädigungen in dieser Höhe als steuerpflichtige Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit. Das Hessische Finanzgericht in Kassel gab der Finanzbehörde recht.

Kommentar: Immer weniger „Ehre“ und immer mehr „Entschädigung“ VON CHRISTOF HÜLS
„Ehrenamt“ ganz ohne Geld gibt es immer seltener. Eine Übungsleiter- oder Ehrenamtspauschale macht viele Vereine überhaupt erst funktionsfähig.

Zehn Prozent mehr fürs „Ehrenamt“ im Kreistag: Die Kreispolitiker haben sich mehr Sitzungsgelder gegönnt. Auch wenn das Salär nicht im Entferntesten mit denen von Politprofis auf Bundesebene zu vergleichen sind, sei die Frage erlaubt: Sind sieben Euro mehr im Monat viel oder wenig? Sind drei Euro mehr pro Sitzung gerechtfertigt oder überzogen?

28 Euro für dreieinhalb Stunden Sitzung: Das hört sich nicht nach viel an. „Bereichern“ geht anders.

Andererseits: Viele Menschen leben vom Mindestlohn, und der liegt mit 8,84 Euro pro Stunde nur knapp über dem Sitzungsgeld. Das Kreistagsmitglied bekommt die Monatspauschale oben drauf – egal, wie oft der Abgeordnete bei Sitzungen fehlte. Und Zuschläge für Sonderaufgaben. Oder sogar die Aussicht auf irgendeinen anderen Posten?

Kreistagsmandat oder Sitz in der Gemeindevertretung sind angeblich „Ehrenämter“. Möglicherweise mag die Definition aus dem Online-Lexikon Wikipedia veraltet sein: „Im Allgemeinen wird darunter altruistisches Handeln verstanden, bei dem eine Einzelperson oder eine Gruppe freiwillig und unentgeltlich Arbeit leistet.“ Altruistisch meint selbstlos, ohne Hintergedanken.

Zugunsten der Kreispolitiker zählt sicher, das sie sich vorbereiten müssen. Die Kommunalpolitiker holen Rat ein oder machen sich fachkundig. Pflichtbewusste Kommunalpolitiker pflügen sich durch Tonnen von Papieren mit dem schönsten Behördendeutsch. Fleißkärtchen gibt es alle Jahre wieder für die Leser der Haushaltspläne. Die Fraktionen beraten und diskutieren manchmal auch kontrovers.

Und nachher werden die Gemeindevertreter für die nötigen Entscheidungen von den Nachbarn beschimpft. Im besseren Fall gibt es „nur“ Diskussionen bei jeder Gelegenheit: beim Bier in der Kneipe, beim Einkaufen im Laden oder beim Nachbargespräch über den Gartenzaun. Leider müssen die Kommunalpolitiker tendenziell eher Steuern erhöhen als senken und machen sich dadurch bestimmt nicht beliebter. Vielleicht sind die Erstattungssätze deshalb auch in „Entschädigungs“-Satzungen geregelt? Und vielleicht werfen auch deshalb viele kurz nach ihrer Wahl bereits wieder das Handtuch.

„Ehrenamt“ ganz ohne Geld gibt es immer seltener. Eine Übungsleiter- oder Ehrenamtspauschale macht viele Vereine überhaupt erst funktionsfähig. Trotz geringer Bezahlung gehört Enthusiasmus meistens dazu.

Schließlich brauchen wir Menschen mit Kompetenz in den Gemeinde-Parlamenten und an verantwortungsvollen Stellen. Aber schade ist es trotzdem, dass im Ehrenamt immer weniger „Ehre“ drinsteckt. Und immer mehr „Entschädigung“.