Römer und Kelten ... im Neubaugebiet

Nicht im ganzen Neubaugebiet, sondern nur an ausgesuchten Stellen wurde gegraben.

Neben Scherben und Tierknochen wurde auch ein Tonkrug gefunden. Der Inhalt muss allerdings noch untersucht werden.

Nassauische Neue Presse vom 21.09.2017 von Johannes Koenig

Reise in die Römerzeit: Die Ausgrabungen am „Weingartenberg“ in Werschau bieten ein Einblick in das Leben im Goldenen Grund, als Römer und Kelten aufeinandertrafen.

Werschau.  Brechen ein kleines keltisches Dorf, umzingelt von den Römern? So wie in den beliebten Asterix & Obelix-Comics war die Wirklichkeit natürlich nicht. Hinweise, wie sie tatsächlich aussah, liefern die Ergebnisse der Ausgrabungen in Werschau im März/April dieses Jahres im Neubaugebiet „Weingartenberg“. Die Erschließung des Neubaugebiets hatte die Aktion erst notwendig gemacht.

„Die Grabungen sind ein kleines Puzzle im Gesamtbild der Okkupation der Römer im Lahntal“, charakterisierte Dr. Sandra Sosnowski vom Hessischen Landesamt für Denkmalschutz die Grabungsergebnisse, die sie im Werschauer Bürgerhaus präsentierte. Sie entführte die recht zahlreichen Zuhörer in die Welt der Kelten und in die späte Eisenzeit. Im Falle von Werschau vermutlich in die Zeit zwischen dem Jahr 600 vor Christus und dem Jahr Null. „Eine Zeitphase, von der wir dank der römischen Lager Alteburg in Oberbrechen und in Eschhofen an der Autobahn wissen, dass die Römer hier in der Gegend waren.“ „Das war früher ganz normaler Acker. Tonscherben sind da nie aufgetaucht“, sagte Helmut Weil aus Werschau, der als Geschichtsinteressierter fast alles über die Nachbarschaft weiß. „So eine Maßnahme erlebe ich in den 40 Jahren zum ersten Mal“, ergänzt Bauamtsleiter Alfred Meurer, der fast täglich bei den Ausgrabungsarbeiten vorbeischaute.

Bodensilos gefunden

Wie aber sind die Archäologen überhaupt dazu gekommen, in dem Bereich an insgesamt vier verschiedenen Stellen zu graben? „Es gab Hinweise, dass hier mit Siedlungsspuren zu rechnen ist. Deswegen wurde vorab eine geomagnetische Untersuchung in Auftrag gegeben“, erklärte die Expertin. Die Messungen führte eine Fachfirma durch. Zum Einsatz kam dabei ein Gerät, das an einen überdimensionierten Rasenmäher erinnert und Änderungen im Erdmagnetfeld feststellte. Stellen mit besonders vielen Störungen wurden dann näher unter die Lupe genommen.

Dazu trug ein Bagger erst einmal die Humusschicht ab, bis darunter Bodenververfärbungen sichtbar wurden. Sie erwiesen sich im Laufe der Grabungen als Bodensilos, in denen Getreide aufbewahrt wurde. Die äußere Getreideschicht nahm die Feuchtigkeit vom Boden auf und sorgte zusammen mit der Grubenabdeckung dafür, dass das Korn im Innern frisch blieb.

In den Gruben fanden die Fachleute einen verklappten Ofen, Innenputz von Häusern und ein gut erhaltenes Tongefäß. „Das wurde als Erdblock geborgen und gleich in Frischhaltefolie gewickelt“, erzählte Sandra Sosnowski. Was sich in dem Gefäß befand, wird erst eine Untersuchung in der Werkstatt klären, bis dahin kann es aber noch dauern. „Halten Sie uns da aber auf jedem Fall auf den Laufenden“, bat Bürgermeister Frank Groos.

Nur Spuren der Häuser selbst fanden sie in den Verfärbungen nicht. Ein Ergebnis, für das es mehrere Erklärungen gibt. „Die Häuserpfähle hinterlassen im Boden einen deutliche geringeren Abdruck als Gruben. Ihre Spuren können durch Erosion längst verloren gegangen sein“, gab Grabungsleiter Guido Schnell zu bedenken. Es kann aber auch sein, dass die Gruben am Rande der damaligen Siedlung angelegt wurden. „Warum das? Ist es nicht viel sicherer, die Vorräte mitten in der Siedlung zu verwahren?“, wollte eine Zuhörerin wissen.

„Im Prinzip ja“, sagte Archäologe Frank Lorscheider, dessen Unternehmen die Grabungen ausgeführt hatte. „Die Inhalte von Gruben sacken aber mit der Zeit ab, so dass die Gefahr besteht hineinzufallen“, gab er zu bedenken. Außerdem bestanden die Häuser aus Holz; ein Funke der Feuerstelle konnte bereits einen Brand auslösen. In dem Fall wären auch die Vorräte verloren gewesen. Außerdem lockten Essensabfälle Schädlinge an, die auch die Vorräte befallen hätten.

Müssen sich angehende Bauherren nun Sorgen machen, dass ihnen auf dem „Weingartenberg“ diverse Vorschriften und Auflagen drohen? „Nein, nein, es gibt insgesamt sieben Bauplätze, und ein Eigentümer möchte das Dach bis Ende des Jahres stehen haben“, versicherte der Bürgermeister.