Was macht die Berger Kirche so besonders?

Vor 176 Jahren wäre sie beinahe abgerissen worden, heute ist sie ein beliebter Ort der Kultur und des stillen Gedenkens: Die Berger Kirche. Von ihr geht eine besondere Faszination aus.

Nassauische Neue Presse vom 09.09.2017 von Andreas Müller

Vor 176 Jahren wäre sie beinahe abgerissen worden, heute ist sie ein beliebter Ort der Kultur und des stillen Gedenkens: Die Berger Kirche. Von ihr geht eine besondere Faszination aus.

Werschau. Fährt man mit dem Auto von Niederbrechen aus in Richtung Lindenholzhausen, fällt der Blick vor der Überquerung des Emsbaches unweigerlich auf ein Kleinod im Goldenen Grund, die Berger Kirche. Gegenüber der alten Brückenmühle grüßt die kleine romanische Kapelle von ihrem Felsen herunter. Im Jahr 910 wurde sie erstmals urkundlich erwähnt. Sie gilt als „Mutterkirche des Goldenen Grundes“ und steht unter Denkmalschutz.

Die Gemeinde Bergen lag im Tal am Emsbach, am Fuße der Kirche, wurde aber in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts von der Pest ausgelöscht. Übrig blieb nur die Kirche. Heute befindet sich außer der Kapelle auf dem Felsen der Friedhof von Werschau.

Freundeskreis gegründet

Im 30-jährigen Krieg (1618-1648) hatte die kleine Kirche ihre schwerste Zeit. Niemand kümmerte sich um sie, und sie zerfiel zur Ruine. Durch ein Notdach konnte sie im Jahr 1657 vor dem endgültigen Zerfall bewahrt werden. 1841 sollte die Kirche abgerissen werden. Es regnete hinein, und der Hochaltar verfaulte. Dem damaligen Oberbrechener Pfarrer Peter Josef Blum ist es zu verdanken, dass sie nicht abgerissen wurde. Er wurde Bischof von Limburg und veranlasste die Instandsetzung der Berger Kirche. Zum Schutz wurde sie mit einer Bruchsteinmauer umgeben und rundum das Gelände bepflanzt.

Immer öfter kamen Menschen an Sonn- und Feiertagen nach Bergen. Im August 1981 trafen sich 16 Personen, deren Herz an der Berger Kirche hing, und gründeten den Verein „Freundeskreis Berger Kirche“. Sie machten es sich zur Aufgabe, das Schmuckstück zu pflegen und zu erhalten, dort auch kirchliche und kulturelle Veranstaltungen durchzuführen. Kurt Fortenbacher aus Werschau ist Gründungs- und Vorstandsmitglied. Er erinnert sich an die Zeiten der Pfingstritte, als mehr als 500 Reiter mit ihren Pferden dorthin kamen. „Sie kamen auch aus dem Westerwald und durchquerten zwischen Aumenau und Fürfurt die Lahn“, berichtet Fortenbacher. Sogar der Bischof von Limburg sei mitgeritten. Da Traktoren die Pferde in der Landwirtschaft verdrängten, fand 1968 der letzte Pfingstritt statt.

Besonders verdient um die Berger Kirche machte sich Josef Kramm, früherer Bürgermeister von Brechen und erster Vorsitzender des Vereins, der mit seinen guten Kontakten viel für die Kirche getan hat. Auch der spätere Vorsitzende Josef Jeck hat sich sehr für die Restaurierung der Kirche eingesetzt, ebenso Heinrich Eppstein, der viel über die Geschichte recherchiert und aufgeschrieben hat.

Seit mehreren Jahren veranstaltet der „Freundeskreis“ zwischen Mai und Oktober monatlich ein Konzert in der Berger Kirche. Im August hat die Diezer Musikerin Hanne Kah mit ihrer Band für ein unvergessliches Akustik-Konzert gesorgt und erst kürzlich die aus Niederbrechen stammende Sopranistin Mechthild Bach.

Viele Menschen lieben aber auch die Stille des abgeschiedenen Kirchleins. Gerne kommen sie alleine zum Beten dorthin, zünden eine Kerze an und gedenken der Verstorbenen, die hier beerdigt sind. Ein besonderes Grab war das von Gründungsmitglied Karl Egenolf aus Niederbrechen und seiner Frau Margarete. Als Andenken an seine 1939 verstorbene Frau hat der Steinmetz ihr einen Grabstein aus Wirbelauer Marmor gehauen mit einem Relief des unter der Last des Kreuzes zusammenbrechenden Jesus sowie zwei Kerzen an den Seiten des Steines. Das Grab wurde mittlerweile abgeräumt, der Stein erhielt aber am Eingang vom Fußweg aus einen Ehrenplatz. Auch den Sockel, auf dem in der Kirche die Madonnenfigur aus Sandstein steht, hat Karl Egenolf aus Lahnmarmor gehauen.

Viele Arbeiten erledigt

Im Kirchenraum befindet sich zudem eine Holzschnitzfigur des Heiligen St. Georg, des Namenspatrons der Berger Kirche. Vorbild war das wertvolle Original aus dem Jahr 1420, das sich im Diözesanmuseum in Limburg befindet. Der „Freundeskreis Berger Kirche“ hat heute etwa 100 Mitglieder. Im Laufe der Jahre hat der Verein die Außenmauer saniert, zwei Metalltore an den Eingängen angebracht, Wege und Parkplätze geschaffen, eine Wasserleitung verlegt und dafür gesorgt, dass die Kirche im Dunkeln angestrahlt wird.

2011 wurden Wandmalereien, die im Jahr 1968 freigelegt wurden, restauriert, 2014 eine neue Orgel angeschafft. „Lohn für all unsere Bemühungen ist die Tatsache, dass immer mehr Menschen den Weg zur Berger Kirche finden, und hier in Ruhe und Besinnlichkeit geistige und körperliche Erholung mit nach Hause nehmen“, sagte Josef Jeck in seiner Rede zum 25-jährigen Bestehen des „Freundeskreises Berger Kirche“ im Jahr 2006. Trefflicher könnte man es wohl nicht auf den Punkt bringen. Seit Jahren kommen viele junge Paare hierher, um in den alten Mauern den Bund fürs Leben zu schließen. Einige kommen nach 25 oder gar 50 Jahren wieder, um für die gemeinsamen Jahre Dank zu sagen. Sie alle wissen diesen Ort zu schätzen, von dem eine besondere Faszination ausgeht.