Wer zahlt für die neue Brücke?

Thomas Kraft, Reinhard Ahrens und Frank Groos zeigen, wie beschwerlich im Alltag die Benutzung des Übergangs sei kann.

Nassauische Neue Presse vom 18.05.2017 von Dr. Johannes Koenig

Wer zahlt für einen barrierefreien Fußgängerübergang am Bahnhof Oberbrechen? „Auf keinen Fall die Gemeinde“, lautet die gemeinsame Antwort von Bürgermeister Frank Groos und der Brechener Gemeindevertretung. Für weitere Ratschläge hatte Frank Groos nun Vertreter des Fahrgastverbands Pro Bahn für einen Ortstermin eingeladen.

Brechen-Oberbrechen. Stand-haft bleiben und weiter beim Verkehrsminister, der Deutschen Bahn und beim Eisenbahn-Bundesamt nachhaken – diesen Ratschlag gaben Thomas Kraft und Richard Ahrens vom Fahrgastverband Pro Bahn Mittelhessen bei ihrer Stippvisite am Oberbrechener Bahnhof. Dorthin eingeladen hatte sie Bürgermeister Frank Groos (parteilos), um gemeinsam die Fußgängerüberführung am Bahnhof zu besichtigen.

Diese soll nach Stand der Dinge in den kommenden Jahren abgerissen und durch eine nicht-barrierefreie Brücke ersetzt werden. Es sei denn, die Gemeinde Brechen beteiligt sich mit einem Drittel an den Gesamtkosten in Höhe von 320 000 Euro – zum Beispiel durch die Finanzierung von zwei Aufzügen.

„Das ist Aufgabe der Bahn. Wir investieren nicht das Betriebsvermögen der Bahn, lautet unsere Position“, betont Frank Groos. Ein Standpunkt, den die Gemeindevertreter zuletzt auf ihrer Sitzung im Februar einhellig unterstützten. Weitere Unterstützung gab es nun beim Besuch der beiden „Pro Bahn“-Vertreter.

„Laut Personenbeförderungsgesetz soll der öffentliche Nahverkehr bis 2022 barrierefrei sein. Das Behindertengleichstellungsgesetz regelt wiederum, dass Neu-, Um- und Erweiterungsbauten im Eigentum des Bundes barrierefrei zu gestalten sind“, erläuterte Reinhard Ahrens den gesetzlichen Hintergrund. „Die Bahn betont bei der Gelegenheit zwar gerne, dass sie ein Privatunternehmen sei. Aber die Bahnstrecken gehören der Bundesnetzagentur und somit dem Bund“, ergänzte Thomas Kraft.

1000 Fahrgäste pro Tag, die am Bahnhof aus- oder zusteigen – das ist die von der Bahn mitgeteilte Bedingung für eine barrierefreie Lösung in Oberbrechen und weiteren ähnlich großen Gemeinden. „Dabei steht sogar auf der Internetseite der Bahn, dass diese Fahrgastzahl lediglich eine Priorisierung und keine Ausschlussregelung darstellt.“

Im Rahmen seiner Versuche, das ehemalige Staatsunternehmen umzustimmen, hatte Bürgermeister Groos auch die Eigeninitiative ergriffen und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) angeschrieben. Der Minister hatte zuvor öffentlich festgestellt, dass er auch den barrierefreien Ausbau von Bahnhöfen mit weniger als den von der Bahn geforderten 1000 Fahrgästen pro Tag befürwortet. Trotz der anfangs positiven Signale aus Wiesbaden enthält die inzwischen eingegangene Antwort des Ministers keine Festlegungen, sondern lediglich den Wunsch, dass gemeinsam mit der Deutschen Bahn eine Lösung gefunden wird.

Wie geht’s nun weiter? „Wir werden probieren, die Bahn von unserem Standpunkt zu überzeugen, dass sie als Eigentümer-Bauherr in der Pflicht ist, eine barrierefreie Überführung zu finanzieren“, betont Groos. „Es gibt auch noch einige andere Gemeinden in Hessen, die in einer ähnlichen Situation sind“, ergänzte Thomas Kraft. Bisher hat es aber offenbar noch keine verbindliche Rechtsprechung zum Thema gegeben.

Voraussichtlich wird der Abriss der bestehenden Brücke nicht in den nächsten zwei Jahren stattfinden. (koe)