Die Amtmann-Finger'sche-Stipendienstiftung

Der Begriff "Amtmann-Finger" ist dem überwiegenden Teil der Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde maximal von einem Straßennamen im Ortsteil Niederbrechen bekannt. Was hinter diesem Namen steckt, wissen die wenigsten. Johannes Jakobus Finger war Amtsverwalter und Kellner (damals: Beamter des Landesfürsten und dessen Steuereintreiber) des Landesfürsten. Für diesen zog er Pachten und Steuern ein. Mit seiner Tätigkeit kam er zu einem beträchtlichen Vermögen, welches insbesondere aus Liegenschaften in Bad Camberg, Niederbrechen, Oberbrechen, Villmar, Niederselters, Ahlbach, Werschau, Niedertiefenbach, Obertiefenbach, Oberweyer und Steinbach bestand. Am 04. Februar 1802 formulierte er in Wehrheim, wo er von 1762-1803 kurtrierischer Amtmann war, ein umfassendes Testament.

Sein Vermögen vermachte Amtmann Finger wortreich und kompliziert seinen Angehörigen auf Zeit. Gleichzeitig verfügte er jedoch, dass "nach Verschleiß dieser Zeit" ein fortwährendes Stipendium für die in dem Flecken Niederbrechen gebürtige und in christlich-apostolisch-römisch-katholischer Religion erzogene Jugend beiderlei Geschlechtes gewährt werden sollte, damit diese etwas lernen und sich selbst vorsorgen können. Zur Verwaltung des Stiftungsvermögens bestimmte er zwei Curatoren, einen aus dem Gerichte und einen aus dem Ortsvorstand.

Die Stiftung im Wandel der Zeit

Über 200 Jahre sind vergangen, seit Johannes Jakobus Finger sein Testament formuliert hat. Zu seiner Lebzeit war noch nicht an ein kostenfreies Schulsystem zu denken. Die Sozialversicherungen waren ebenso unvorstellbar wie ein Gesundheitssystem im modernen Sinne. Freie Schulen, Hochschulen und Förderschule, Berufsausbildung gegen Entlohnung, Sozialgesetzbuch mit Grundsicherung und vieles mehr waren selbst den Utopisten der damaligen Zeit völlig fremd. Hieß es in der Stiftungsverfassung, die Stipendiaten sollen in die Lage versetzt werden "... sich geschickt zu machen und sich ehrbar ernähren zu können ..." so wurde im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte eine andere Vergabepraxis üblich. Man versuchte, junge Menschen zu fördern, die ein "Alleinstellungsmerkmal" aufwiesen, körperlich, seelisch oder geistig behindert waren und dadurch Nachteile erleiden mussten.

Auch die Verwaltung des Stiftungsvermögens hat sich gewandelt. Unter der strengen Stiftungsaufsicht des Landes wurden Stiftungssatzungen erstellt und immer wieder geändert. Heute wird das Stiftungsvermögen von einem Verwaltungsrat betreut, der aus dem Bürgermeister als I. Curator, dem Ortsgerichtsvorsteher des Ortsteiles Niederbrechen als II. Curator und fünf Bürgern des Ortsteiles Niederbrechen, die entsprechend dem Stimmverhältnis der Parteien und Wählergruppen dieses Ortsteiles bestimmt werden.

Bis zur Änderung der Stiftungssatzung im Jahr 2006 waren die Stipendiaten verpflichtet, täglich drei Vaterunser und drei Avemaria für das Seelenheil des Stifters zu beten. Ersetzt wurde diese persönliche Verpflichtung der Stipendiaten durch eine Pflicht der Stiftung, jährlich zwei Messen lesen zu lassen.

Stipendiaten und Stipendium

Die Stipendiaten werden vom Verwaltungsrat mit einfacher Mehrheit gewählt. Sie müssen ihren 1. oder 2. Wohnsitz in der Gemeinde Brechen haben, vorrangig sind Stipendiaten aus Niederbrechen zu berücksichtigen. Die Stipendien werden grundsätzlich für einen Zeitraum von vier Jahren gewährt. Sie können im Bedarfsfalle verlängert werden und, wenn besondere Gründe dafür vorliegen, entzogen werden. Die Höhe des Stipendiums wird in der aktuellen Satzung auf maximal 750,00 € pro Kalenderjahr festgeschrieben. Sofern nicht ausreichend Stipendiaten vorhanden sind, können nach der aktuellen Satzung "mit Erziehung beauftragte Institutionen" bedacht werden. Die Stiftungsaufsicht legt allerdings großen Wert darauf, dass nach dem Willen des Stifters nach wie vor die individuelle Förderung im Vordergrund steht.

Stiftungsvermögen

Die Stiftung verfügt ausweislich der Eröffnungsbilanz zum 01.01.2009 über ein beträchtliches Vermögen. Dies besteht zum Bilanzstichtag im Wesentlichen aus

  • Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten i. H. v. ca. 857.000,00 €
  • Bauten (In den Wallgärten sowie Lindenstraße) i. H. v. ca. 455.000,00 €
  • flüssigen Mitteln i. H. v. ca. 50.000,00 €

Die laufenden Einnahmen aus dem Stiftungsvermögen bestehen insbesondere aus Mieten und Pachten.

Verfassung der Stiftung

Die Verfassung der Stiftung des Amtmann-Finger'schen-Stipendienfonds können Sie hier einsehen.

Zur Ansicht der 1. Änderungsverfassung vom 01. Juli 2023 klicken Sie bitte hier.
 

Weitere Informationen zur Stiftung

Wer sich intensiver mit der Amtmann-Finger'schen-Stipendienstiftung auseinander setzen möchte, kann sich an deren I. Curator, Bürgermeister Frank Groos, wenden. Auf die seit dem Jahr 2012 gültigen Vergaberichtlinien für die Stiftungsmittel und die im Internet verfügbaren Förderanträge wird an dieser Stelle besonders hingewiesen.